Deutsches Waffengesetz – Unwissenheit schützt vor Strafe nicht

Ob man es nun gutheißen mag oder nicht: Deutschland besitzt eines der strengsten Waffengesetze der Welt. Und zudem auch eines der unübersichtlichsten auf dem ganzen Globus.

Eine der größten Fallen für Käufer und Besitzer freier Waffen stellt die Tatsache dar, dass man als Erwachsener viele Selbstschutzwaffen legal erwerben und besitzen, aber nicht führen darf.

Und nicht jeder Händler ist so fair, seinen Kunden beim Kauf darauf aufmerksam zu machen. Denn so manches Schneidwerkzeug muss selbst schon nach dem Verlassen des Ladens in einem geschlossenen Behältnis und nicht zugriffsbereit in die eigenen vier Wände gebracht werden. Sei es nun ein Einhandmesser, ein zweischneidiger Dolch oder ein feststehendes Messer mit einer Klingenlänge von über 12 cm.

Und so sollte der gesetzestreue Besitzer eines Teleskopschlagstockes auch wissen, dass er diesen Gegenstand zum Selbstschutz zwar erwerben und besitzen darf, das Führen aber außerhalb des eigenen Grund und Bodens verboten ist. Beim besagten Schlagstock ist die Gesetzeslage zumindest soweit klar: Den eigenen Grund und Boden schützen erlaubt, das Führen nein.

Bei Messern ist die Lage dagegen viel verworrener. Genauer gesagt, man ist der Willkür der Exekutive wie auch der Judikative ausgesetzt.

Eins noch vorweg: Bei verbotenen Gegenständen liegt die Sache klar auf der Hand: Verbotene Gegenstände dürfen nicht besessen werden – demnach kann man sie aller Logik nach auch nicht führen. In diese Kategorie fallen beispielsweise Wurfsterne, Schmetterlingsmesser (Balisongs), Schlagringe, Faustmesser oder aber auch Gegenstände, in denen eine Klinge verborgen ist – etwa der gute alte Spazierstockdegen aus Kaisers Zeiten.

Gummi-Paragraf 42 a

Soweit, so klar. Als Mensch mit gesundem Menschenverstand mag man sich zwar fragen, warum ein von philippinischen Fischern erfundenes Messer wie das Balisong als verbotener Gegenstand gilt….

Aber so ist es nun mal. Selbst im auseinander genommenen Zustand ist es strafbar, wen ein Schmetterlingsmesser daheim in der Schublade gefunden werden sollte.

Wesentlich unübersichtlicher wird es beim §42 a. So gibt es einen Reihe Messer, die zwar ab 18 Jahren gekauft werden dürfen, aber nicht grundsätzlich oder nur eingeschränkt geführt werden dürfen. Darunter fallen vor allem die schon erwähnten feststehenden Messer mit Klingenlängen über 12 cm und Einhandklappmesser mit feststellbarer Klinge. Laut dem schwammigen Paragrafen 42 a darf man diese nur dabei haben, „wenn das Führen der Gegenstände im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumpflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.“

Was bleibt ist ein Kopfschütteln. Berufsausübung? Welcher Job lässt sich ausschließlich mit einem feststehenden Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm oder einem Einhandmesser mit feststellbarer Klinge ausüben?

Bei welchem Sport benötigt man solche Messer?

Und was ist ein anerkannter Zweck?

Fragen über Fragen. Klar ist, dass man als Angler den Fisch auch mit einem Zweihandmesser ausnehmen kann, dass man als Jäger den Hasen ebenfalls mit einem Zweihandmesser oder einer kurzen feststehenden Klinge abziehen kann. Und dass man als Zeitungsbote zum aufschneiden der zu Stapeln verschnürten Zeitschriften ebenfalls mit einem § 42 a-konformen Messer klarkommt.

Somit ist man als Träger einer Klinge, die unter diesen Paragrafen fällt, niemals auf der sicheren Seite und jederzeit der Willkür des Polizeibeamten ausgesetzt, der einen gerade kontrolliert.

Feststellbare Einhandmesser sind eine ungeheuer praktische Erfindung. Aber aus oben genannten Gründen sollte man sie besonders im urbanen Bereich lieber zuhause lassen und auf feststehende Klingen unter 12 cm oder Taschenmesser mit Zweihandbedienung zurückgreifen.

In freier Natur wird ein gesetzestreuer Bürger eher nicht in eine Polizeikontrolle geraten. Aber auch hier kann ein schlechtgelaunter Polizist immer mit dem Argument kommen, dass man das Brotschneiden beim Rasten auf der Trekkingtour oder das Ausnehmen der Forelle am Angelteich, auch mit einem Messer erledigen könnte, das nicht unter § 42 a fällt.

Waffenverbotszonen

Um die ganze Sache nochmals zu verkomplizieren, hat der Gesetzgeber vor einigen Jahren sogenannte Waffenverbotszonen eingeführt. In diesen Zonen können Städte das Führen von Waffen ganz verbieten. Dabei kann allerdings jede Kommune ihr eigenes Süppchen kochen, was zu regelrechtem Chaos führt.

Hier zwei Hansestädte als Beispiel:

Hamburg

So ist z.B. auf der Hamburger Reeperbahn eine Waffenverbotszone eingerichtet, in der das Tragen von Pfefferspray zur Tierabwehr – welches ausdrücklich nicht unter das Waffengesetz fällt – verboten ist. Das unter das Waffengesetz fallende CS-Spray darf dagegen geführt werden, wenn es den passenden BKA-Prufstempel hat.

Diese „Waffen“ sind laut der Hamburger Polizei auf der Reeperbahn verboten:

  • jede Art von Schreckschusswaffen
  • Hieb-, Stoß- und Stichwaffen
  • Messer aller Art, auch Taschenmesser
  • Reizstoffsprühgeräte ohne amtliches Prüfzeichen
  • Tierabwehrsprays, Elektroschockgeräte
  • Armbrüste,
  • Knüppel aller Art (Baseballschläger u. ä.)
  • Handschuhe mit harten Füllungen (wie Stahl, Bleistaub, Blei- und Eisengranulat u. ä)

Wird man erwischt, drohen Strafen zwischen € 150 bis € 10.000. Und das Trageverbot gilt ganztägig.

Bremen

In den Bremer Waffenverbotszonen dagegen gilt das Verbot lediglich von 20.00 h bis 08.00 h. Und Tierabwehrspray darf man dort dabei haben. Somit dürfen dort auch die Tierabwehrgeräte der Modelle Guardian Angel und Jet Protector (JPX) der Schweizer Firma Piexon mitgeführt werden. Die genannten Piexon-Modelle gelten in Expertenkreisen als die effektivsten Selbstschutzgeräte, die ein gesetzestreuer Bürger in Deutschland legal führen darf. So hat beispielsweise Bayern für Beamte des Justizvollzugs den Jet Protector zum Selbstschutz eingeführt. Doch gerade beim wuchtig ausfallenden Jet Protector – der für einen Laien wie ein futuristischer Gegenstand aus einer Star-Wars-Folge wirken mag – sollte man immer den Feststellungsbescheid vom BKA dabei haben. Denn dieser stellt klar, dass das Gerät keine Anscheinswaffe ist. Und dies muss nicht unbedingt jedem Schutzmann bekannt sein.

Trotzdem ist der Jet Protector das beste Selbstschutzgerät hierzulande. Anders als Gaspistolen, die unkontrollierbaren Gasnebel verschießen, kann die Ladung des JPX bis auf eine Entfernung von sechs bis sieben Metern gezielt eingesetzt werden. Der Wirkstoff wird nicht vernebelt und vom Wind weg geweht.

Ein kleiner Nachteil bleibt aber: Die Pfefferladung ist rot. Somit könnte sie in einer Notwehrsituation bei Laien der Eindruck entstehen, dass dem Angreifer in den Kopf geschossen wurde, da der Pfefferwirkstoff mit Blut verwechselt könnte.

Bremen – selbst Werkzeug ist tabu

Trotz des erlaubten Pfeffersprays in Bremen, fällt das dortige Gesetz zu den Waffenverbotszonen noch härter aus, als das Hamburger. Denn in Bremen darf neben Dingen, die unter das Waffengesetz fallen, auch nichts geführt werden, was als Schlag- oder Stichwaffe benutzt werden könnte. Also wehe dem, der grundlos einen Schraubendreher oder einen großen Werkzeugschlüssel griffbereit dabei hat.

Hamburg, Wiesbaden, Bremen, Leipzig und weitere Kommunen haben diese Zonen inzwischen eingerichtet. Mag man als Ortskundiger gegebenenfalls noch den Überblick haben, stellen die Waffenverbotszonen besonders für Fremde eine Falle dar. Beispielsweise dann, wenn man per Bahn anreist, 90 Minuten auf den nächsten Zug warten muss – und irgendwo in Bahnhofsnähe etwas trinken gehen will. Und dann das Waffenverbotsschild übersieht und beispielsweise ein CS-Spray dabei hat.

Temporäre Verbote

Und zu allem Überfluss kann die Bundespolizei auch sogenannte temporäre- also zeitweilige – Waffenverbotszonen ernennen. Also kann es passieren, das man etwa an einem Bahnhof, den man jahrelang mit seinem feststellbaren und zweihändig zu öffnenden Taschenmesser betrat, plötzlich und unwissentlich etwas Verbotenes tut. Die Behörden gingen in der Vergangenheit teilweise sogar so weit, dass sie ein Verbot von Glasflaschen aussprachen – etwa in einigen Berliner Bahnhöfen.

Kommunenwillkür

Aber um die Sache noch komplizierter zu machen, wurde von der Politik dieses Jahr (2020) eine weitere Neuerungen des Waffengesetzes beschlossen. Diese ermöglicht es Kommunen, nun Waffenverbotszonen willkürlich auszusprechen. Also nicht unbedingt dort, wo es tatsächlich Kriminalitätsschwerpunkte gibt, sondern vor Schulen, Kitas oder dem ÖPNV. Oder eben einfach da, wo es den Herren Politikern gefällt.

Neu ist auch, dass in diesen neuen Verbotszonen das Führen von Messern mit feststehender oder feststellbarer Klinge von über vier Zentimetern Klingenlänge verboten ist. Alle nicht arretierbaren Taschenmesser bleiben demnach erlaubt.

Ausnahmen

Und Ausnahmen bestätigen die Regel: Waffen oder Messer dürfen in Waffenverbotszonen geführt werden von:

Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse wie Waffenschein oder Waffenbesitzkarte, dazu gehört auch der kleine Waffenschein für Gas- und Signalwaffen,
Anwohnern, Anliegern und dem Anlieferverkehr,
Gewerbetreibenden, ihren Beschäftigten und ihren Beauftragten, die Messer im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung führen,
Personen, die eine Waffe oder ein Messer nicht zugriffsbereit von einem Ort zum anderen befördern,
Personen, die Messer im Zusammenhang mit der Brauchtumspflege oder der Ausübung des Sports führen, und
Personen, die etwa in Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs, Einkaufszentren oder Veranstaltungsorten eine Waffe oder ein Messer mit Zustimmung des Hausrechtsinhabers Zweck bezogen führen.

Fazit: Wie anfangs bereits erwähnt, enthält das deutsche Waffengesetz viele Fallen, in die ein gesetzestreuer Bürger stolpern kann. Der Gesetzgeber kann eigentlich nicht erwarten, dass jemand, der sich ein Einhandtaschenmesser kauft, automatisch weiß, dass er es nicht grundlos führen darf. Otto Normalverbraucher studiert wohl kaum Gesetze, wenn er für einen spontanen Ausflug in einem Souvenirshop oder Tabakladen irgendein günstiges Messer erwirbt. Und der Kauf zudem trotz Einhandbedienung problemlos über die Bühne geht: Kein Ausweis, kein Ausfüllen eines irgendeines Formulars, keine Bürokratie….

Auch billige Teleskopstöcke finden sich in diversen Shops. Meist etwa in Bahnhofsnähe. Wehe dem, der zwecks besseren Sicherheitsgefühles dann so ein Ding spontan erwirbt und griffbereit einsteckt.

Warum können die deutschen Gesetze nicht so strukturiert sein, wie beispielsweise im Nachbarland Tschechien? Dort gilt schlichtweg: Was ich ab 18 Jahren frei erwerben kann, darf ich auch führen. Immer und überall.

Und auch die Waffenverbotszonen tragen keinesfalls zu erhöhter Sicherheit bei. Wer Böses vor hat, lässt sich von diesen Zonen ohnehin nicht abschrecken. Oder glaubt jemand wirklich, dass bei einer Schießerei mit ohnehin illegalen Waffen die schweren Jungs plötzlich innehalten, wenn sie vor einem gelben Schild mit durchgestrichener Pistole stehen, auf dem steht, dass hier die Waffenverbotszone beginnt?

Wollte der Gesetzgeber tatsächlich für mehr Sicherheit sorgen, sollte Vorbestraften, die wegen Körperverletzung und ähnlichen Delikten wiederholt aufgefallen sind, generell das Führen von gefährlichen Gegenständen verboten werden. Immer und überall. Wobei hier die Betonung auf „gefährlichen Gegenständen“ liegt. Ein kleines Schweizer Werkzeugmesser sollte nicht darunter fallen. Und das generelle Verbot sollte auch wirklich mehrfach vorbestrafte Schläger betreffen. Und nicht Bürger, die irgendwann Mal aus Übermut oder einem Glas zu viel in eine Kneipenrangelei gerieten.

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